Miriam ist eine erfahrene Hebamme

Beckenboden und Geburt – Interview mit einer Hebamme

Wie soll dieser große Kopf bloß durch die schmale Öffnung der Vagina und des Beckenbodens durchpassen? Ist ein Kaiserschnitt besser für meinen Beckenboden als eine Spontangeburt? Es gibt so viele Fragen, wenn es um das Thema Geburt und Schwangerschaft geht. Wer diese Fragen wohl am besten beantworten kann? Na klar, eine Hebamme.

Miriam hat in Graz das Studium zur Hebamme absolviert. Im Anschluss hat sie im Wilhelminen Spital in Wien 3 Jahre Frauen bei der Geburt ihrer Kinder begleitet. Seit Anfang 2017 ist sie wieder in Bayern unterwegs und macht mittlerweile das, was schon seit Beginn ihres Studiums ihr Traum war. Sie arbeitet als Hausgeburtshebamme und bietet folgende Dienste an:

  • Hausgeburten: Achtsame und kompetente Unterstützung von Frauen, die ihr Kind aus eigener Kraft daheim gebären. Und das gerne auch mal um 2 Uhr früh und etliche Stunden am Stück
  • Betreuung von Frauen während und nach der Schwangerschaft
  • Leitung zahlreicher Kurse in der Hebammenpraxisgemeinschaft „LebensMomente“

Miriam hat bereits mehr als 300 Geburten begleitet. Damit war sie also schon etliche Male live dabei, wenn ein kleiner Mensch sich seinen Weg durch den Beckenboden und damit in unsere Welt gebahnt hat. Heute sitzt sie in ihrer Pause mit mir an der schönen Mangfall bei Rosenheim und beantwortet eure Fragen zum Thema Beckenboden.

Interview mit Hebamme Miriam über Beckenboden, Schwangerschaft und Geburt

Vielen Dank, liebe Miriam, dass du dir für uns Zeit genommen hast und uns an deinem großen Erfahrungsschatz teilhaben lässt.

Was muss der Beckenboden eigentlich während Schwangerschaft und Geburt leisten?

Der Beckenboden trägt und hält die Harnblase, die Gebärmutter und den Darm. Auch alle anderen Bauchorgane werden indirekt von ihm getragen. Während der Schwangerschaft kommt noch das Gewicht des Babys, der Plazenta, des Fruchtwassers und der Gebärmutter hinzu. Die Gebärmutter wird nämlich während der Schwangerschaft auch größer und kräftiger und somit natürlich schwerer.

Da kommen während der Schwangerschaft schon mal locker 6 Kilo mehr Gewicht für den Beckenboden zusammen.

Zur Geburt muss dann der Beckenboden den Plan ändern. Statt wie gewohnt zu halten, muss er jetzt loslassen und sich dehnen. Damit schafft er Platz für das Baby, das den Weg durch das Becken nach draußen antritt.

Und wie kommt dieser verhältnismäßig große Kopf durch die eigentlich kleine Öffnung der Vagina?

Die bei der Geburt und in der Zeit davor ausgeschütteten Hormone helfen dem Körper und dem Gewebe dabei, weich und locker zu werden. An der Beckenbodenöffnung für die Scheide befindet sich elastisches Bindegewebe. Auch die Scheidenwand ist sehr dehnbar, da sie eine faltige Struktur aufweist. Außerdem wird der Damm bei der Geburt richtig weich. Er walzt sich regelrecht aus, wenn das Köpfchen des Babys vorbeirutscht.

pelvina: Wahnsinn, was der Körper sich alles einfallen lässt, um das Wunder der Geburt möglich zu machen.

Die Natur hat also die besten Voraussetzungen geschaffen, damit das Baby problemlos den Weg der Geburt meistert.

Hast du Tipps für schwangere Frauen, wie sie ihren Beckenboden möglichst gut auf die Geburt vorbereiten können?

In vielen Geburtsvorbereitungskursen wird vermittelt, wie der Beckenboden angesteuert werden kann. Das ermöglicht den Frauen, ein gutes Gefühl für den Beckenboden zu entwickeln. Spezielle Übungen können, wenn sie regelmäßig durchgeführt werden, den Beckenboden stärker und elastischer machen. Es kann also ein perfektes Zusammenspiel der Muskeln erarbeitet werden. Das wiederum ermöglicht eine für die Geburt durchaus zuträgliche Flexibilität zwischen An- und Entspannung. Sinnvoll ist auch die sogenannte DammmassageAb der 34. Schwangerschaftswoche durchgeführt, kann diese die Durchblutung und Elastizität des Dammgewebes signifikant verbessern.

Was ist in Bezug auf den Beckenboden während der Geburt wichtig?

Grundsätzlich sind Gebärpositionen, die die Schwerkraft mit einbeziehen, hilfreich. Spürt man Spannungsgefühle, sollte man die Position ändern. Das laute Tönen und Veratmen der Wehen hilft, den Beckenboden locker zu lassen. Dies liegt vor allem an der Zusammenarbeit mit dem Zwerchfell und der Kiefermuskulatur, die über Muskelfunktionsketten miteinander verbunden sind. Unter der Geburt kannst du beispielsweise die Wehenpausen dazu nutzen, dir eine Position zu suchen, in der du bewusst lockerlassen kannst. Während der Wehen gelingt das Lockerlassen oft besser, wenn du dir Sinnbilder vorstellst: Seerosenblätter, die sich sanft öffnen, oder das Becken als weiches und gemütliches Sofa.

Die Seerose ist ein beliebtes Bild zur Wahrnehmung des Beckenbodens

pelvina: „Safe your love channel“ und andere fragwürdige und unwissenschaftliche Aussagen sollen Frauen von einem Wunschkaiserschnitt überzeugen.

Ist ein Kaiserschnitt besser für den Beckenboden als eine Spontangeburt?

Grundsätzlich würde ich niemanden empfehlen, sich in Gedanken auf den Schutz des Beckenbodens oder der Scheide für einen bestimmten Geburtsmodus zu entscheiden. Ein Kaiserschnitt sollte möglichst nur aufgrund einer medizinischen Notwendigkeit durchgeführt werden. Die 40 Wochen lange Schwangerschaft stellt nämlich aufgrund des vermehrten Gewichts die größte Belastung für den Beckenboden dar. Diese Mehrbelastung ist also unabhängig davon, ob ein Kaiserschnitt oder eine Spontangeburt stattfindet.

Natürlich muss der Beckenboden bei einer Spontangeburt gewissen Belastungen standhalten. Doch genau dafür bringt er die besten Voraussetzungen mit.

Bei einem Kaiserschnitt werden unter anderem Bindegewebsschichten durchtrennt, die normalerweise den Beckenboden stabilisieren. Zumal der Kaiserschnitt, als große Bauchoperation, noch weitere Risiken mit sich bringt. Am besten entscheidet man individuell und situationsbedingt zusammen mit Hebammen und Ärtzen, die einen bei der Geburt begleiten, welcher Weg der beste ist.

Hast du Tipps für frischgebackene Mamas, wie sie ihren Beckenboden im Wochenbett und der Zeit danach am besten pflegen können?

In den ersten Tagen nach der Geburt sollte man den Begriff „Wochenbett“ wörtlich nehmen. Das heißt: Sich so gut wie möglich schonen und ruhen. Auf Erledigungen oder gar Ausflüge sollten man in den ersten Tagen nach der Geburt wirklich verzichten. Der Körper braucht diese Ruhezeit für die Rückbildung der Gebärmutter und die Wundheilung.

Als nächster Schritt sollte das beckenbodenschonende Verhalten im Fokus stehen:

  • entlastende Haltungen
  • Transfers (aufstehen, hinsetzen usw.)
  • Üben des beckenbodengerechten Tragens des Babys

Je nach körperlicher Verfassung können dann sanfte Übungen die Anregung der Tiefenmuskulatur einleiten. 6-8 Wochen nach Spontangeburt bzw. 8-12 Wochen nach Kaiserschnitt kann und sollte dann ein Rückbildungskurs begonnen werden.

Was hältst du von unserer Beckenboden-App pelvina?

Leider hatte ich bis jetzt noch nicht die Zeit, die App zu testen. (Anm. pelvina: Selbst während unseres Interviews ist Miriam immer wieder am Telefon. Sie berät schwangere Frauen, frischgebackene Mütter und Väter geduldig und einfühlsam bezüglich kleiner und großer Fragen.) Ich kann mir jedoch vorstellen, dass die App eine gute Ergänzung zu einem besuchten Rückbildungs- oder Geburtsvorbereitungskurs darstellt.

Gibt es noch etwas, was du den werdenden Mamas da draußen bezüglich ihrer Geburt und der Zeit danach mit auf den Weg geben möchtest?

Ich empfehle jeder Frau, sich möglichst im Vorfeld damit auseinanderzusetzen, welcher Ort für die eigene Geburt der passende ist. Man sollte sich zusätzlich im Vorfeld Gedanken machen, was einem allgemein wichtig ist für die Geburt. Ich lege jeder Frau außerdem eine möglichst frühzeitige Begleitung durch eine Hebamme ans Herz. Und zum Abschluss noch eine kleine Ermutigung, die ich allen schwangeren Frauen mitgeben möchte:

Traut euch und eurem Beckenboden zu, die Geburt zu meistern. Ihr tragt die wunderbarsten und perfekten Voraussetzungen dafür bereits natürlicherweise in euch.

Danke, liebe Miriam für diesen spannenden Einblick und für deine wichtige und unersetzliche Arbeit als Hebamme.

wie ihr euch für hebammen stark machen könnt

Wie könnt ihr euch für Hebammen stark machen?

Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, schließen immer mehr Kreißsäle in Deutschland. Zusätzlich sind die Haftpflicht-Versicherungsbeiträge für freiberufliche Hebammen kaum noch bezahlbar.

Macht Miriams Arbeit und die vieler anderer Hebammen leichter, indem ihr auf diese Missstände aufmerksam macht und euch für eure Hebammen einsetzt. Wie das konkret aussehen könnte, findet ihr auf der Seite der Kampagne „Wir brauchen unsere Hebammen.“ heraus.

Zum Abschluss noch ein kleines Zitat aus dem Lied Gelernt“ von Käptn Peng & die Tentakel von Delphi:

„Und du redest deinem Körper ein, er wär‘ nicht perfekt. Er kann Leben gebären, habe ein bisschen Respekt vor dir selbst. Deine Seele hat Hunger. Du bewohnst ein atmendes Wunder.“

In meiner Arbeit als Physiotherapeutin, Gesundheitswissenschaftlerin und Beckenbodenkursleiterin bei pelvina und in einer Hebammenpraxis musste und muss ich leider immer wieder feststellen, dass es vor allem bei gesundheitlichen Themen, die vornehmlich Frauen betreffen erhebliche, oft auch schambehaftete Wissenslücken gibt. Mir ist es ein besonderes Anliegen, wissenschaftlich fundierte und gleichzeitig lebensnahe Informationen und Selbsthilfetipps an die Frau zu geben. Ich wünsche mir, dass durch Blogs wie diesen betroffene Frauen ins Gespräch kommen und sich gegenseitig unterstützen #superwoman

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